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2) Ich brauche. Ich habe Bedürfnisse.

Es ist eine Tatsache, dass kein Lebewesen auf unserem Planeten so unfertig und bedürftig zur Welt kommt wie ein menschliches Neugeborenes. Kein anderes Lebewesen benötigt so lange die Zuwendung und Aufmerksamkeit seiner Eltern, um selbständig überleben zu können. Und doch – oder vielleicht gerade deswegen, weil wir einst so ausgeliefert waren – verlieren oder verleugnen die meisten Menschen dieses Grundgefühl.

Allzu oft mussten wir erfahren, dass unsere Bedürfnisse nichts zählen, und viele von uns haben auch den Spieß umgekehrt, so wie ich. Ich wollte meine Bedürftigkeit nicht mehr spüren und habe früh gelernt, mich um andere – im besonderen – um meine schwache Mutter zu kümmern die mir immer wieder sagte: Du bist ein großes Mädchen und musst Mama helfen. Ich benutzte dann später die Bedürftigkeit anderer Menschen, um meine eigene Not nicht mehr spüren zu müssen. 

Wozu haben wir denn unsere Gefühle? Der Schmerz ist so etwas wie eine Signallampe, die uns anzeigt, wenn unsere Grundbedürfnisse nicht erfüllt werden. Angst und Wut liefern uns zusätzliche Energie, um den Zustand der unerfüllten Grundbedürfnisse zu verändern. (Mehr darüber im Kapitel über Gefühle!)

Tatsache ist, dass wir , um ein glückliches, erfülltes Leben erfahren zu können, uns unbedingt die zweite Grundeinstellung des „Ich brauche“ erhalten oder sie wieder neu in uns verankern müssen.

Wer seine eigenen Bedürfnisse herabsetzt oder gar nicht spürt, ist nicht wirklich beziehungsfähig. Solche Menschen gehen wenig enge Bindungen ein, oft aus Angst, ohnehin nur enttäuscht zu werden. Wenn sie eine Beziehung wagen, konzentrieren sie alle Erwartungen auf diese eine Person. Gleichzeitig sind sie unfähig, ihre Wünsche auszudrücken. Sie glauben, der andere müsse schon wissen, was man brauche. Und sind dann enttäuscht, wenn sie nicht bekommen, was sie gar nicht laut zu wünschen wagen.

Noch viel mehr Menschen haben überhaupt den Glauben an sich selbst und an ihre Umwelt verloren, und behaupten, dass sie am besten allein zurecht kämen. Sie sind froh, dass sie auf niemand angewiesen sind. Für mich ist diese Art der Freiheit eine Pseudo-Freiheit, mit der sich diese Menschen selbst belügen.

Wirklich frei ist derjenige, der seine Bedürfnisset spürt und weiß, dass er zeitlebens auf den Kontakt und die Verbindung mit anderen Menschen angewiesen ist. Das heißt jetzt nicht, dass die Gedanken solcher Menschen nun ständig in Angst und Sorge um ihre Bedürfnisse kreisen. Nein, ganz im Gegenteil. Diese Menschen sind sicher, auch ohne Versicherungen, weil sie sich in einem größeren Zusammenhang eingebettet wissen. Dieser Punkt hängt nun schon deutlich mit der nächsten Grundeinstellung, nämlich dem Grundgefühl „Ich vertraue!", zusammen.

Menschen, die in Kontakt mit dieser zweiten Grundeinstellung leben, müssen nicht alles selbst tun. Sie können andere ohne weiteres um Hilfe bitten und es fällt ihnen dabei kein Stein aus der Krone. Sie können die ihnen gebotene Hilfe auch problemlos annehmen. Solche Menschen würdigen nicht nur ihre eigenen Bedürfnisse, sondern ebenso die von anderen Menschen. Sie schielen nicht neidisch und missgünstig auf jene, die vermeintlich mehr als sie besitzen. Sie wissen, dass sie alles, was sie brauchen, bereits haben. Daher beklagen sie sich auch nicht ständig. Sie jammern nicht über ihr Los, sondern setzen ihre Kräfte dazu ein, die eigenen Bedürfnisse erfüllt zu bekommen.

Sie sind bereit, sich auf wirkliche Beziehungen einzulassen, und benutzen nicht äußere Aktivität, um Beziehung zu vermeiden. Sie wissen den Wert jeder menschlichen Beziehung zu schätzen und verhalten sich auch dementsprechend. Sie anerkennen den Wert von Liebe, Sexualität, Spiritualität und den Wunsch, auf allen Ebenen zu wachsen, erfolgreich und glücklich zu sein, als grundlegende Motivation des menschlichen Daseins.

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© Eva-Maria Ammon, Hamburg

letzte Aktualisierung 25.05.10